Der Hölzel-Kreis in der Sammlung Bunte

von Karin von Maur

Prägend für die Sammlung Bunte ist die Kunst des frühen 20. Jahrhunderts als einer Epoche, in der sich in Deutschland eine neue revolutionäre Bildsprache entwickelte, die mit den überkommenden Traditionen brach. Von dem Zentrum der Sammlung Bunte – dem früh gefallenen Künstler Hermann Stenner aus – richtete sich der Blick des Sammlers auf Schulen und Zeitgenossen, die Stenner an den Orten seiner Tätigkeit vor allem in München/Dachau und Stuttgart geprägt haben. Heute umfasst die Sammlung Bunte neben Hermann Stenners Werken auch Arbeiten seiner Lehrer Christian Landenberger und Adolf Hölzel sowie seiner Künstlerkollegen Willi Baumeister, Oskar Schlemmer, Johannes Itten, Ida Kerkovius, u.a..

Adolf Hölzel
Dachauer Moos (Kiesgrube bei bewegter Luft) (1903)
Öl auf Leinwand

Die Sammlung Bunte belegt damit eindrucksvoll, dass auch außerhalb der expressionistischen Epizentren „Brücke“ und „Blauer Reiter“ bedeutende expressionistische Kunstwerke entstanden. In einer früheren (1979 erschienenen) Publikation habe ich bereits darauf hingewiesen, dass in den Leistungen des sog. Hölzel-Kreises der wichtigste Beitrag Stuttgarts zur Malerei des 20. Jahrhunderts liegt. Dies wird heute zunehmend anerkannt. Für Hermann Stenner eröffnete sich durch den Wechsel in die Komponierklasse von Adolf Hölzel (1853-1934), der zu seinem wichtigsten Inspirator wird, eine erregende neue Welt: Hölzel hatte die „Lehre vom Primat der bildnerischen Mittel“ entwickelt, die die Farbenlehre und Proportionsgesetze sowie einen rhythmischen Bildaufbau unabhängig von der Gegenständlichkeit in das Zentrum stellt. Für den eher spontan und intuitiv arbeitenden jungen Künstler war die Lehre Adolf Hölzels eine Herausforderung.

In der Sammlung Bunte finden sich viele Werke von Adolf Hölzel, die seine eigene künstlerische Entwicklung eindrucksvoll belegen. Im Gemälde Dachauer Moos (Kiesgrube bei bewegter Luft) reduziert er seine Darstellung auf Kiesgrube und Himmel. Eine Horizontlinie teilt das Bild in nahezu zwei gleiche Hälften. Der Farbauftrag wechselt zwischen einer leicht getönten, lasierenden Malerei am Rand und einem pastosen Farbauftrag im Zentrum des Bildes. Den Vordergrund der Kiesgrube entwickelte er ausschließlich aus der farbigen Struktur der Leinwand. Der 1853 geborene Adolf Hölzel wechselt in hohem Alter noch einmal komplett seinen Stil und widmet sich der Pastellmalerei.

Der 1905 nach Stuttgart berufene Adolf Hölzel scharte um sich einen großen Kreis von Schülern, der ähnlich wie die „Brücke“ in Dresden und „Der Blaue Reiter“ in München ein weiteres Zentrum der Klassischen Moderne in Deutschland bildete, das überregionale Bedeutung erlangte. Zu diesem Kreis gehörten neben Hermann Stenner u.a. seine Freunde Willi Baumeister, Oskar Schlemmer, Johannes Itten, Gottfried Graf, Edmund Daniel Kinzinger und Albert Mueller, später auch Max Ackermann. Einige von diesen – beispielsweise Itten, Schlemmer und Kerkovius – trugen Hölzels Theorie und Lehre an das Weimarer Bauhaus weiter. Hölzel gestattete seinen Schülern stets große künstlerische Freiheiten. Dies war ein wesentlicher Grund dafür, dass sich eine große Anzahl unterschiedlicher Schüler um ihn sammelte. Johannes Itten hat später hervorgehoben, dass Hölzel eine große Achtung vor der Individualität des Einzelnen hatte, was sich in der Vielseitigkeit und Verschiedenartigkeit der Kunstwerke seiner Schüler zeigt. Gleichwohl ist die Grundkonzeption der bildnerischen Mittel „Form, Farbe, Linie“ aus der Elementarlehre Hölzels unübersehbar. Auch die Abstraktion hat im Kreis um Hölzel ihren Ursprung. Die Vielfältigkeit der Werke, auch die Entwicklung, zeigt sich in der Sammlung Bunte mit vorbildlichen Werken.

Die Fortschrittlichkeit Adolf Hölzels zeigte sich auch darin, dass er Schülerinnen annahm. Dies war in jener Zeit an Kunsthochschulen unüblich: Damen waren vom akademischen Malunterricht ausgeschlossen, aber Hölzel setzte sich darüber hinweg. Neben seinen frühen Schülerinnen Ida Kerkovius und Lily Hildebrandt sind auch Maria Hiller-Foell und Luise Deicher mit bedeutenden Werken in der Sammlung Bunte vertreten.

Hölzel, Flucht n.Ägypten
Adolf Hölzel
Flucht nach Ägypten (um 1925)
Pastell auf Papier
Willi Baumeister
Badende (1911/12)
Öl auf Karton

Die künstlerische Vielfalt im Hölzel-Kreis zeigt sich in der in der Sammlung Bunte vereinten Kunstwerken sehr deutlich. Heinrich Eberhard und Josef Eberz stehen dabei der Lehre von Adolf Hölzel am nächsten. Besonders Eberhard befasste sich in seiner Zeit bei Hölzel stark mit religiösen Motiven, er bewahrte sich eine spürbare Nähe zu Adolf Hölzel, sei es in der religiösen Thematik seiner Bilder wie auch im Bildaufbau und der expressiven Farbwahl. Adolf Hölzel empfand das Nachahmen seiner Werke durch seine Schüler nur als notwendigen Zwischenschritt zur Entwicklung eines eigenen persönlichen Stils. Das von ihm sogenannte „Hölzeln“ war ihm unangenehm, denn er wollte die Selbstständigkeit der Schüler fördern.

Adolf Hölzel entwickelte mit den Pastellen der 1920er-Jahre noch ein beeindruckendes Spätwerk, für das er heute vornehmlich bekannt ist. Auch diese späteren Arbeiten sind bestimmt von einer kräftigen Farbigkeit im Hölzelschen Klangspektrum. In seiner letzten Schaffensperiode beschäftigte sich Hölzel mit der Gestaltung von Farben und Formen in transparentem Glas. Neben einem großen Pastell (1926) gehört dessen Umsetzung als Glasfenster zur Sammlung. Willi Baumeister beschrieb später diesen Entwicklungssprung: „Er knüpfte seinen Farbenpelz weiter auf. Er wurde Wolf: In den stärksten Farben, höchst unakademisch und ganz modern.“

Willi Baumeister ist beispielsweise mit dem Bild Badende – einem Motiv, mit dem er sich zeitlebens in vielen Variationen beschäftigte – in der Sammlung Bunte vertreten.

Karin von Maur jung crop
Karin von Maur 
Kunsthistorikerin,
Schlemmer- und Hölzel-Expertin 

Prof. Dr. Karin von Maur

geboren in Tübingen – war lange stellvertretende Direktorin der Staatsgalerie Stuttgart und ist Expertin für die südwestdeutsche Kunst des 20. Jahrhunderts. Studium der Kunstgeschichte und Promotion in Tübingen. Leiterin des Oskar-Schlemmer-Archivs und Verfasserin des Werkverzeichnisses von Oskar Schlemmer und gilt weltweit als besondere Kennerin dessen Werkes. Nach dem Buch über Adolf Hölzel als „Der vertikale Revolutionär“ gilt sie ebenso als Expertin des Hölzel-Kreises mit zahlreichen Veröffentlichungen u.a. auch zu Hermann Stenner. Sie ist dem Sammler-Ehepaar Renate und Hermann-Josef Bunte seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden.

Auszug von Werken der Künstler des Hölzel-Kreises in der Sammlung Bunte.

Diese Auflistungen spiegeln die Werke der Sammlung nicht vollständig wider. Sie stellen eine Auswahl dar. Weitere Informationen auf Anfrage möglich.