Die Sammlung Bunte vereint zahlreiche Werke der klassischen Moderne aus Westfalen in großer Zahl und herausragender Qualität – neben Hermann Stenner und den Künstlern des Stuttgarter Hölzel-Kreises bilden diese einen inhaltlichen Schwerpunkt der Sammlung.
Peter August Böckstiegel
Erntefeld (1911)
Öl auf Leinwand
Hierbei liegt der Fokus des Sammlers auf den Künstlern der „Bielefelder Moderne“. So kann man die erste Generation von Künstlern in der so genannten „Leineweberstadt“ bezeichnen. Sie waren allesamt Schüler von Ludwig Godewols (1870-1926) an der dort 1907 gegründeten und durchaus fortschrittlich orientierten Kunsthandwerkerschule.
Peter August Böckstiegel (1889-1951) wurde schon früh als wichtigstes Mitglied der Godewols-Klasse wahrgenommen. Er begeisterte sich wie viele junge Künstler seiner Generation für Vincent van Gogh und für den Expressionismus der „Brücke“. Um sein Studium im Geist dieser Künstler fortzusetzen, ging er 1913 sogar nach Dresden und führte dort bis 1945 sein Atelier – einige seiner Bielefelder Mitschüler sollten ihm nach dem Ersten Weltkrieg folgen. Die Sammlung Bunte vereint dabei mehrere Hauptwerke aus Böckstiegels Frühwerk. Allein aus dem Jahr 1912, in dem die Godewols-Klasse die „Sonderbund“-Ausstellung in Köln besuchte, zeugen das Winterbild mit Bauernhäusern, das Bauernmädchen aus Arrode und das Erntefeld von Böckstiegels künstlerischer Qualität. Die beiden zuletzt genannten Werke und das ebenfalls außergewöhnliche Aquarell Pfefferfresser gehörten dabei einst dem wohl wichtigsten Weggefährten und Sammler des Künstlers, dem Bielefelder Gold- und Silberschmied Rudolf Feldmann (1881-1958). Er ist mit Schmuckstücken und Korpusware ebenfalls in der Sammlung Bunte vertreten.
Die Sammlung Bunte vereint weitere, deutlich vom Expressionismus beeinflusste Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Druckgrafiken von Peter August Böckstiegel, darunter das frühe Gemälde Mundharmonikaspieler und das Aquarell Kopf Thorlümke mit Filzhut, Teil einer bemerkenswerten Serie von markanten Bauernköpfen. Beide Werke gehörten einst Dr. Heinrich Becker, der als Leiter des Städtischen Kunsthauses in Bielefeld ein wichtiger Förderer und gleichermaßen Sammler des Künstlers war. In der Sammlung Bunte befinden sich auch Werke Böckstiegels, die erst in den vergangenen Jahren auf dem Kunstmarkt aufgetaucht sind, besondere Bedeutung hat dabei das Stillleben mit Pickelhaube von 1915 aus der Zeit des Ersten Weltkrieges. Ein besonders qualitätvolles Beispiel für die die expressionistische Druckgrafik der Jahre nach dem Krieg ist der großformatige Holzschnitt Klage der Frauen von 1919.
Böckstiegel widmete das seltene Blatt Klage der Frauen einem früheren Mitschüler, dem Maler und Grafiker Victor Tuxhorn (1892-1964). Es entstand in einer Zeit, in der sich die aus der Godewols-Klasse hervorgegangene Künstlergruppe „Rote Erde“ in Bielefeld wieder zusammenfand. Tuxhorn, neben Böckstiegel der wichtigste Vertreter der „Bielefelder Moderne“, steht in seiner künstlerischen Entwicklung stellvertretend für viele weitere Godewols-Schüler: In frühen Werken dem Vorbild van Gogh verpflichtet, in der Folge vom Expressionismus norddeutscher Prägung beeinflusst, bedeutete der Erste Weltkrieg eine dramatische Zäsur im Schaffen dieser Künstler. So gehören sie zur „Zweiten Generation“ des deutschen Expressionismus, die eben erst nach diesem Krieg ihr Werk auf eigenen Wegen entwickeln konnten, in avantgardistisch gestimmten Künstlergruppen aktiv wurden, auf Ausstellungen in Westfalen und ganz Deutschland präsent waren und in unterschiedlichem Ausmaß mit ihren Bildern an die Öffentlichkeit traten.
Von fast allen dieser Künstler wurden während der NS-Diktatur Werke als „entartet“ verfemt und im Sommer 1937 in öffentlichen Sammlungen beschlagnahmt – von Böckstiegel allein 92 Werke, ebenso Grafiken, aber auch Gemälde und Aquarelle, von Victor Tuxhorn, Ernst Sagewka, Heinz Lewerenz und Wilhelm Schabbon. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieben viele der Godewols-Schüler im Kunstleben ihrer Heimatstadt aktiv, gerieten aber nach und nach in Vergessenheit.
Viktor Tuxhorn
Lüneburg (St. Johannis) (1920)
Öl auf Leinwand
So war es von entscheidender Bedeutung, dass einige von ihnen ab Anfang der 1980er Jahre mit kleineren Ausstellungen im Kulturhistorischen Museum und der Kunsthalle der Stadt Bielefeld gewürdigt wurden. In rascher Folge wurden die wichtigsten Vertreter der „Bielefelder Moderne“ vorgestellt – und bedeutende Werke dieser Künstler kamen von nun an in die Sammlung Bunte, die durch ihre rege Ausstellungstätigkeit, wissenschaftliche Beschäftigung und begleitende Publikationen zu einer nicht gekannten Kenntnis dieser Künstler geführt hat. Einige ihrer zentrale Werke konnten so nicht nur wiederholt ausgestellt, sondern auch im zeitlichen Kontext ihrer Entstehung und ihrer kunsthistorischen Entwicklung präsentiert werden. Hauptwerke der Sammlung Bunte wie Lüneburg von Victor Tuxhorn, das Feld von Wilhelm Schabbon oder die Schnitter von Ernst Sagewka können so die Qualität dieser zu Unrecht als allein regional bedeutsame Künstler bezeichneten Vertreter der „klassischen“ Moderne ebenso belegen wie die großen Konvolute ihrer Druckgrafik. So wird die „Bielefelder Moderne“ und in besonderer Weise Peter August Böckstiegel als ein spannendes, facettenreiches Kapitel der Kunstgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die Sammlung Bunte erfahrbar.
David Riedel
Künstlerischer Leiter
Museum Peter August Böckstiegel
David Riedel, M.A.
geboren in Bielefeld – absolvierte sein Studium der Kunstgeschichte und Dänischen Philologie in Münster und Paris, war nach Volontariaten in Münster und Baden-Baden wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Kunsthalle Bielefeld. Seit Mai 2012 Künstlerischer Leiter zunächst des Peter-August-Böckstiegel-Hauses und ab 2018 des Museums Peter August Böckstiegel in Werther-Arrode bei Bielefeld. Verfasser des Werkverzeichnisses der Gemälde von Peter August Böckstiegel und zahlreicher weiterer Publikationen insbesondere zu Künstlern der Moderne in Westfalen.
Ein Auszug von Werken der Künstler der Westlfälischen Moderne in der Sammlung Bunte.
Diese Auflistungen spiegeln die Werke der Sammlung nicht vollständig wider. Sie stellen eine Auswahl dar. Weitere Informationen auf Anfrage möglich.